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Rede gegen rechte Schwurbelei und kapitalistische Zustände

Am 25.11. und 04.12. fanden AfD-Versammlungen „gegen den Corona-Wahnsinn“ statt. Wir waren mit einigen anderen Gruppen auf der Straße, um gegen diese rechte Schwurbelei zu protestieren. Gleichzeitig haben wir unsere eigene Kritik an der aktuellen Corona-Politik und an den kapitalistischen Zuständen geäußert, was erst dazu beiträgt, dass so eine Pandemie entsteht und schwerwiegende Folgen für viele Menschen hat:

In den letzten zwei Jahren erlebten Menschen in Deutschland und Europa etwas, wovon viele dachten, dass es nur in der sogenannten Dritten Welt, in Afrika, Asien und Lateinamerika, passiere. Eine Pandemie, eine sich schnell und massiv ausbreitende gefährliche Krankheit bedroht das Leben vieler Menschen und das Gesundheitswesen verfügt nicht über die Mittel, um dieser Krankheit zu begegnen. Es fehlte und fehlt immer noch an allem. An einfachster Schutzausrüstung wie an ausgebildetem Personal. Kaputt gesparte, marode Krankenhäuser und ausgebeutete, unterbezahlte Pflegekräfte sind nicht in der Lage, eine adäquate Gesundheitsversorgung für die Erkrankten bereitzustellen. Teile des Gesundheitssystems brechen zusammen. Die politisch Verantwortlichen ignorieren den Rat von Expertinnen, weigern sich Mittel zu Bekämpfung der Pandemie zu ergreifen, die die Profitabilität wichtiger Teile der Privatwirtschaft gefährden könnten. Einige von ihnen bereichern sich in dieser Zeit selbst, indem sie die Notlage für korrupte Geschäfte nutzen.

In dieser Situation schwant vielen hierzulande die Erkenntnis, dass „Menschenwürde“ im Kapitalismus immer nur solange garantiert ist, wie sie die Verwertung von Kapital, die Erzeugung von Profit nicht stört. In dem Moment, wo Menschen als für den Ablauf des Geschäftes überflüssig erachtet werden, ist ihr Menschsein keinen Cent mehr wert. Das tausendfache Sterben vor unseren Augen, im Mittelmeer, an der polnischen Grenze und mittlerweile auf dem Ärmelkanal, macht uns das jeden Tag deutlich. Eine Gesellschaft, die über alle technischen Mittel verfügt, um sich die Welt wohnlich einzurichten, lässt Menschen an Krankheiten, an Armut und auf der Flucht davor verrecken.

Vieles spricht dafür, dass der aktuelle Aufschwung rechter Bewegungen wie der „QuerdenkerInnen“ auch Folge dessen ist, dass immer mehr Menschen hierzulande Angst davor bekommen, überflüssig zu sein, nicht mehr für die Kapitalverwertung benötigt zu werden. Einer Angst, die nur allzu berechtigt ist und die gerade in vielen Regionen in Ostdeutschland tatsächlich an Erlebnisse aus den letzten drei Jahrzehnten anschließen kann.

Anstatt daraus die Konsequenz zu ziehen, dieses menschenfeindliche, überholte gesellschaftliche System, in dem wir leben, zu überwinden, versuchen sie ihren Status quo zu verteidigen. Weil sie von dem auf globaler Ausbeutung und Naturzerstörung basierenden Reichtum bisher ein paar Krumen abhaben durften, rufen sie dazu auf, die Menschen, die vor deren zerstörerischen Folgen fliehen, gewaltsam in ihr Elend zurückzustoßen – mit, wie gesagt, oft tödlichen Folgen. Weil die Pandemie, wie auch die Klimakatastrophe, deutlich machen, dass diese Gesellschaftsform, die ihnen ihren winzigen Anteil an diesem Reichtum zugestand, keine Zukunft hat, leugnen sie diese aggressiv.

Und umso dringlicher ihnen die gesundheitlichen und sozialen Folgen der Pandemie vor Augen stehen, umso aggressiver leugnen sie diese. Jeder, der sie darauf hinweist, dass sie eine Maske tragen sollen, dass es gut wäre sich zu impfen, bestärkt ihre existenzielle Angst, demnächst nicht mehr dazuzugehören, sondern bei den Aussortierten, den Unnützen zu landen. Diese auf sich aufdrängender Erkenntnis beruhende Angst kann irgendwann nur noch gewaltsam bekämpft werden. Die Angriffe auf Verkäuferinnen, die auf die Maskenpflicht hinweisen, die Anschläge auf Test- und Impfzentren, der Mord an einem jungen Tankstellenmitarbeiter in Idar-Oberstein sind Ausdruck dieser gewaltsamen Verdrängung.

Wir sehen die Pandemie, wir sehen ihrer Folgen. Wir sehen aber auch die Folgen, die viele Maßnahmen der Pandemiebekämpfung haben. Wir wissen, dass diese Pandemie nicht Resultat eines blind wütenden Schicksals ist, sondern menschengemacht. Ihre Entstehung, ihre Ausbreitung und ihre Folgen sind Resultate des Funktionierens unserer auf Naturzerstörung und Ausbeutung beruhenden Gesellschaft. Weil auch wir den Umschlag in die offene Barbarei fürchten, wollen wir diese Gesellschaft verändern. Wir wollen die Ursachen dieser Pandemie, die auch die Ursachen der Barbarei sind, überwinden. Und deswegen stellen wir uns denen entgegen, die sich ihre Angst nicht eingestehen wollen, sondern zunehmend wütender und gewaltsamer den Status quo verteidigen wollen und gerade damit die Barbarisierung vorantreiben und beschleunigen.